Freitag, 6. Dezember 2013

Möbel im Automobil – Die Mittelkonsole (Teil 2)

Interior Design

Mit der im Sommer 2013 neu erschienenen S-Klasse (W222) hat Mercedes wieder einmal den Anspruch formuliert, das beste – und fortschrittlichste – Auto der Welt zu bauen. Das manifestiert sich gestalterisch weniger im Exterior, wo gegenüber dem Vorgänger der Rückzug hin zu einem vorsichtigen und uncharakteristischen Design gemacht wurde, dafür aber umso deutlicher im Interior. Hier gibt es die größte Displayfläche, die jemals in einem Großerienfahrzeug verbaut wurde. Über beinahe 2/3 der Fahrzeugbreite reicht sie, auf ihr ist von der virtuellen Darstellung klassischer Rundinstrumente bis zur futuristisch gestylten 3D-Darstellung der Schalttafel selbst – und ihrer Klimatisierungselemente – alles möglich. 

Mercedes S-Klasse, 2013
Die durch die Verwendung rechteckiger Displays recht klotzige Anzeigefläche soll durch eine Hinterleuchtung scheinbar ins Schweben versetzt werden und sitzt in einer übergroßen, auf der Oberseite schnurgeraden Hutze. So vergleichsweise unbeholfen das gestaltet ist, so elegant und geschmeidig geht es unterhalb und neben dieser Anzeigekiste weiter: Den Mercedes-Designern ist hier der wahrscheinlich beeindruckendste Wrap-Around Look gelungen, den es seit der Erfindung dieses Gestaltungsmittels gibt. Die Konturlinien reichen von der Schalttafel bis weit in die Türen hinein und ergeben tatsächlich den Eindruck, vom Fahrzeug umfasst und beschirmt zu werden. Große, leicht vom Betrachter weg geneigte Flächen verstärken den Effekt. 
Audi A8, 2009
Trotz einer kraftvollen Ausformung der Schalttafel zwischen den beiden Vordersitzen entsteht nicht das Gefühl einer Teilung, Fahrer und Beifahrer sind nicht eingeschlossen. Und das liegt daran, dass zwischen der Tunnelkonsole und der Schalttafel eine klare Trennung vorhanden ist, die bei Dunkelheit durch eine durchgehende Leuchtleiste noch betont wird. Damit nimmt Mercedes die 2009 beim Audi A8 eingeführte Architektur auf und überträgt sie in einen etwas weicheren, üppigeren Look.

Ebenso konsequent, aber vielleicht noch auffälliger hat sich Audi übrigens beim A3 von 2012 von der klassischen Mittelkonsole verabschiedet. Für das Klimabedienteil gibt es nur noch eine reduzierte Ausformung an der Schalttafel, die durchgehende Horizontale wird durch Fugen und Leisten betont. Der Raum vor dem Schaltknüppel ist vollständig frei von Bedienelementen. 

Bedeutet das nun, dass die Mittelkonsole langsam wieder aus unseren Autos verschwindet? 

Sicher nicht. Im Schwestermodell des A3, dem Golf 7, wird die Mittelkonsole radikal betont, mit dem Instrumententräger zusammengefasst und in klassischer BMW-Manier dem Fahrer zugeneigt.  

Auch die anderen Konzernmarken bleiben der Mittelkonsole treu, Franzosen und Italiener machen sie nach wie vor gestalterisch zum Zentrum des Fahrzeuginnenraumes. Toyota hat beim Auris versucht, die Tunnelkonsole noch höher zu bringen und direkt in die Schalttafel hineinlaufen zu lassen. Das führte dazu, dass unterhalb der Konsole ein Hohlraum entstand, der mit einem Ablagefach teilweise gefüllt wurde. Die Lösung wurde in Europa nicht akzeptiert und beim neuen Modell durch eine dezidiert klassische Anordnung ersetzt. 

Opel hat für die vielen Schalter auf den Mittelkonsolen der Modelle Astra und Insignia viel Schelte einstecken müssen. Man könnte meinen, das ganze Interior sei sozusagen von der Mitte aus gestaltet, eine richtige Schaltzentrale wurde da etabliert. (Mittlerweile gibt es ein offenbar sehr gutes neues Bedienkonzept mit einem Touchscreen). 

Opel Astra, 2010
Aber die Opel-Konsole hatte vor der Modellpflege noch ein anderes Problem, das auch durch die strikte Symmetrie verursacht wurde: Sie hatte ein Gesicht. Und was an der Front eines Fahrzeuges Sinn – oder zumindest Spaß – macht, ist an dieser Stelle eher unerwünscht. Zumal der Ausdruck dieses Gesichtes nicht eben erfreulich ist: Die Dekormaske auf der Mittelkonsole des Astra erinnert fatalerweise an die Geistermaske aus dem Horrorfilm »Scream«.


Bentley Continental GT, 2013
Auch in der Oberklasse gibt es übrigens immer noch imposante und interessante Mittelkonsolen-Lösungen. Herausragend ist die Behandlung des Themas im Bentley GT, bemerkenswert die architektonische Auffassung im Range Rover, wo durch eine wohl überlegte Grafik ein spannender Durchdringungseffekt entsteht. 



Aston Martin One-77, 2013
Ähnlich geometrisch und sophisticated ist die Schalttafel des Jaguar XF, was umso mehr überrascht, als dass man von Jaguar eher geschwungene Linien und eine dramatische Plastizität erwarten würde. 

Und abschließen lässt sich das Kapitel vielleicht am besten mit dem Aston Martin One-77: Hier wurde ein Designertraum verwirklicht, nämlich der bruchlose Übergang der Oberseite der Schalttafel in die Tunnelkonsole. Und schlecht sieht das ja nun wirklich nicht aus.

Doch wir sind mit dem Kapitel eben doch noch nicht fertig. Denn die allmählich aufkommende E-Mobilität führt – wo die Fahrzeuge speziell für diese Antriebsform entwickelt werden – zu neuen und ungewohnten Lösungen. Das hat vor allem mit dem Fehlen des Mitteltunnels zu tun. 

Tesla S, 2013
Beim Tesla S ist aus der Tunnelkonsole ein Ablagefach geworden, das praktisch auf dem Boden des Fahrzeuges steht. Darüber schwebt, physisch und optisch nur mit der Schalttafel verbunden, ein 17" großer Touchscreen, auf dem alle Bedienelemente nur noch grafisch dargestellt werden – vom Navi über die Fahrzeugkonfiguration bis zur Klimabedienung. 



BMWi3, 2013
Die radikalste Lösung hat aber BMWi beim i3 gewählt. Die Konsole ist beinahe spurlos verschwunden, nur im Fußraum trennt noch eine schwarze Box an der Spritzwand den Fußraum des Fahrers von dem des Beifahrers. Darüber hängt eine abstrakte Skulptur, die mit einer deutlichen Betonung der Horizontalen gestaltet wurde,  zwei Displays scheinen eher darüber zu schweben, als dass sie damit verbunden wären. Hier öffnet sich die Tür zu einer neuen Gestaltungsfreiheit, und vielleicht zeigt Audis A2 Studie von 2011 am besten, wieviel Luft und Freiraum ins Interior gebracht werden können, wenn man das alte Möbel rausschmeisst. 

Audi A2 Concept, 2011

Hier gibt es sogar eine recht elegante Lösung für des Fahrers Gasfuß…









(Alle Abbildungen: Pressefotos der jeweiligen Hersteller.)

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