Kleine SUVs: Dacia Duster, Renault Koleos, Nissan Juke, Mini Countryman, Audi Q3, BMW X1, Ford Kuga
Ja, das "Sports Utility Vehicle", wenn es das nicht gäbe… Ihre Existenz und ihren Erfolg verdankt diese Fahrzeuggattung ja gar nicht einem Mangel an Sportlichkeit oder Nützlichkeit dessen, was sonst noch so auf der Straße herumfährt. Das SUV ist vielmehr ein finaler Schlag auf die Tischplatte, wenn es darum geht zu beeindrucken und sich so dem ständigen latenten Straßenkleinkrieg zu entziehen, wer denn nun der Schnellere sei, wer mehr Platz beanspruchen dürfe, wer zuerst komme – nach oben hinaus zu entziehen.
Einige Jahre lang war so ein SUV eine recht elitäre Angelegenheit. Die Dinger waren nicht nur groß, sie beanspruchten auch von den Ressourcen ihres Besitzers mehr, als ein Durchschnittsautonutzer aufbringen konnte oder wollte. Es war ein ziemlich ungehemmtes "aus vollen Hosen ist gut stinken", das da zu teilweise noch etwas ungelenk geformtem Blech geworden war. Aber mit den Jahren kamen immer mehr Marken in das Spiel, und mit ihnen kam Eleganz, geschmeidige Sportwagenhaftigkeit und eine limousinoide Qualität, die den ersten, eher den Nutzfahrzeugen verwandten, SUVs gefehlt hatte (von denen manche noch als "Geländewagen" auf die Welt gekommen waren). Mittlerweile ist durch den Einsatz neu entwickelter Spartechnik aber auch das schöne Gefühl der Hemmungslosigkeit, der fröhlichen Verschwendung verschwunden, das anfangs so viel zum Erfolg der Gattung SUV beigetragen hatte. Auch hier gilt jetzt also: "genießen mit Verantwortung", wie es uns überall suggeriert wird, damit keiner sein Verhalten wirklich in Frage stellt, und doch das schlechte Gewissen niemals ganz verschwindet.
Es ist ja immer so, dass Trends sich aus den "Höhen" der sozialen Schichtung nach unten verbreiten, von der Spitze in die Masse. (Wir wollen hier das Konzept einer solchen "Spitze" einmal undiskutiert hinnehmen, einfach als gesellschaftliche Realität, ohne, vor allem, die eigentlich fällige Kulturkritik an diesem Begriff.) Beim SUV zeigt sich das nicht so sehr, wenn Range Rover mit dem Evoque ein "kleineres" Modell auf den Markt bringt. Es zeigt sich vor Allem am Dacia Duster.
Die Marke Dacia besetzt ja, im Auftrag und mit Hilfe von Renault, den unteren Rand des Preisfeldes, mit geräumigen, soliden, bewusst nicht verfeinerten Funktionsautos. In dieses Produktportfolio würde eigentlich ein nicht allzu großer, einfacher und möglichst unverwüstlicher Geländewagen à la Lada Niva passen. Aber Dacia ist nun ein Kind des 21. Jahrhunderts, mit dem Marketing als Vater. Deswegen gibt es ein recht rassiges, gefällig gestaltetes, Vertrauen erweckendes SUV, über dessen Qualitäten als Zugfahrzeug auf dem Acker oder als ersthaftes Geländegerät sich niemand Illusionen machen kann. Nein, der Duster "macht was her", er ist sozusagen ein Auto mit eingebauter Fernwirkung. Damit ist nicht gesagt, dass er unfunktional ist. Aber das Design weckt, trotz oder gerade wegen der formalen Qualität des Duster, Illusionen. Es ist z.B. die Illusion von Wert, und vielleicht wirkt die bis auf den Besitzer des Fahrzeuges zurück, der den Unterschied zwischen der silberfarbenen Kunststoffumrandung der Instrumente seines Fahrzeuges und einer auf einem Foto ähnlich wirkenden eloxierten Einfassung im Porsche Cayenne nicht in seiner vollen Peinlichkeit wahrnimmt. Hier ist alles sehr auf Effekt aus, und zwischen dem Hersteller und dem Kunden entsteht vielleicht eine Art Verschwörung. Wir – sagt der Hersteller – bieten dir ein Auto, das nach weit mehr aussieht, als es dich kosten wird, und du, Kunde, nimmst dafür die Orgie in Nadelfilz und Hartplastik in Kauf, die dir überall dort begegnen wird, wo andere es nicht sehen. In dieser unausgesprochenen Übereinkunft liegt etwas recht Besonderes, gar nicht mal zu Verurteilendes, eine Art sozialer Service, der zukunftsweisend für die Marke Dacia sein könnte. Als Randbeobachtung sei noch drauf hingewiesen, dass der Duster besonders gerne in einem dunklen Braunmetallic geordert wird, eine Farbe, die BMW mit dem letzten 1er in edelster Weise wieder ein wenig salonfähig gemacht hatte – die ansonsten aber für Autos immer noch als "bäh" gilt.
Renault selbst bietet in der Klasse der kleinen SUVs übrigens den Koleos an, ein verhuschtes, unfertiges, widersprüchliches Designchen, das an dem wuchtigen Namen recht schwer trägt. Mich würde es nicht wundern, wenn Sie noch nie einen gesehen haben…
Apropos Marketing: Nissan Juke heißt die neuste Kopfgeburt von Jungdesignern und Trendforschern. Nissan hat ja mit dem Qashqai eine veritable Cashcow auf die Straße gestellt, ein Crossover aus SUV und Minivan, das offenbar mitten ins Herz der Europäer trifft. Volkswagenhaft ernst, dabei doch flott und mit sehr eleganten Proportionen treffen sich die Linien des Quashqai quasi genau am Schnittpunkt von Spaß und Funktion, Show und Substanz. So macht man in Europa Erfolge: Indem man nichts falsch macht. Dem gegenüber geht Nissan mit dem Juke ein ziemliches Risiko ein. Für den Amerikanischen Markt ist er viel zu klein, für den deutschen (wenn nicht den ganzen europäischen) schlicht zu albern. Problematisch ist dabei vielleicht gar nicht so sehr die bewegte Modellierung, die ein bisschen an Studien der 90erJahre erinnert. Das kann man schon machen, und es passt ja auch zu der erklärten Idee, dem kleinen Wagen etwas vom Charakter eines Motorrades zu geben (diese Idee kondensiert in einer tankförmigen, in Wagenfarbe lackierten Mittelkonsole). Aber man kann am Juke, sozusagen im Negativ, sehen, wie wichtig das Gesicht eines Autos ist. Wenn man ihm die Augen nimmt (und die Scheinwerfer dafür eine Art Nasenlöcher bilden), dann wird es sehr schwer, einen Bezug zu dem Fahrzeug-Tier zu bekommen. Man versteht hier durch das Fehlen einer eindeutigen, irgendwie ansprechenden Physiognomie erst so richtig, wie wichtig diese eigentlich ist, und wie sehr wir uns daran gewöhnt haben, dass Autos Gesichter besitzen. Man darf gespannt sein, wie das Experiment mit dem Juke ausgeht, jedenfalls scheint mir das plakative, mangahafte Design eher nach Tokio zu passen als in eine deutsche Kleinstadt.
Aus dem Reich der bunten Bildchen scheint auch der Mini Countryman zu uns zu kommen. Zuerst sehen wir, wenn wir uns von der Seite nähern, einen etwas größeren, höheren Mini, Vertrautes, das durchaus pfiffig interpretiert ist und den Maßstabssprung, dank eines schlauen Kniffes in der Dachlinie, ganz gut übersteht. An der Front haben die Mini-Designer dann aber das glatte Gegenteil dessen erreicht, was uns oben beim Juke beschäftgt hat: Der Countyman hat einen Charakterkopf, und selbst wenn einem nichts an diesem Imagetransfer von Mini auf ein kleines SUV gefällt, man muss doch anerkennen, dass hier ein sympathisches Gesicht gelungen ist, ernsthaft, weit weg vom Kindchenschema des eigentlichem Mini und trotzdem als Famlienmitglied erkennbar. Er ist ja schon noch niedlich, der Countryman, aber es ist eher die Cuteness eines mittelgroßen Rassehundes als die von Mickey Mouse. Um ehrlich zu sein: Ich bin von dieser Front so begeistert, dass es mir schwer fällt, noch viel über den Rest des Fahrzeuges zu schrieben. Mir scheint der Countryman jedenfalls authentisch, modern und eigenständig, und das ist wohl das Beste, was man von einem SUV der Modemarke Mini sagen kann.
Authentisch, modern und eigenständig sind Eigenschaften, die man auch dem Audi Q3 zuschreiben möchte. Die Formensprache von Audi ist ja inzwischen so reif, dass mancher beim Erscheinen eines neuen Modells das Gefühl haben mag, er hätte "das" auch gekonnt. Und so ähnlich, wie für einen Europäer der Entdeckerzeit alle Asiaten scheinbar gleich aussahen, so mögen auch für Betrachter ohne viel Design-Erfahrung alle Audis mittlerweile gleich wirken. Aber beide Vorwürfe, der der Vorhersehbarkeit und jener der zu großen Markenähnlichkeit gehen ein bisschen ins Leere. Man könnte auch so argumentieren: Wir alle wissen, wie eine schöner Mensch aussieht, und wir werden davon vermutlich recht ähnliche Vorstellungen haben – einen ähnlichen Stand des "nahe an einem Ideal" hat Audi erreicht, innerhalb der eigenen Grenzen natürlich, und ohne die Leitbilder der einzelnen Fahrzeugklassen zu erweitern. Gestalterischen Fortschritt finden wir im Detail: Die Leuchten an Front und Heck haben noch einmal an Prägnanz gewonnen, der Ausdruck der Front ist total kontrolliert – auch, wenn es hier ein kleines Maßstabsproblem gibt – und in den Seiten findet sich eine subtile Vorwärtsdynamik, die der letzen Audi-Generation noch gefehlt hat. Es ist Feinarbeit, die hier gemacht wurde – offen die Frage, wie lange das noch genügt.
Besonders augenfällig wird die Sophistication, die sich die Ingolstädter erlauben, im Vergleich mit dem BMW X1. Es gibt bei BMW harmonische, interessante und faszinierende Fronten, es gibt eine hohe Kultur der Modellierung, es gibt ein interessantes Spiel von Körper und Grafik. Warum hat der X1 von all dem Guten beinahe Nichts bekommen? Eine heftig bewegte Seite trägt eine zu groß aufgefasste Front, wie eine vorgehängte Maske, deren Ausdruck ein bisschen als gezähmte Version des Alien aus "Alien" rüberkommt. Am Heck erzählt BMW zum X-ten Male den Witz von der nicht passenden Heckklappe (und der dadurch bedingten Stufe in den Rückleuchten). Er wird durch Wiederholung nicht besser, ist aber nun, dank des aktuellen Leuchtendesign mit abknickenden schmalen Lichtbändern, etwas plausibler. Diese Leuchten sitzen so weit oben im Körper, dass sie zwar mit der Heckscheibe eine schöne dynamische Spannung aufbauen, darunter aber eine unbewältigte Fläche lassen, die das Auto mit ihrer kantigen Umrissform staksig und zimperlich wirken lässt. Um es deutlich zu sagen: Der X1 ist für mich nicht nur einer der formal schwächsten SUV, er ist auch das wahrscheinlich unschönste Auto, das BMW heute im Portfolio hat. Die Gründe dafür liegen meines Erachtens in der zu großen Konzentration auf interessante Details – noch bevor eine tragende Linie für das Ganze gefunden war – und in der fehlenden Rücksicht darauf, was diese Details für die Gesamterscheinung bewirken. Raus auf die Straße!, möchte man den BMW-Designern zurufen, Mitbewerber daneben parken, und euer Selbstbewusstsein mal kräftig in Frage stellen!
Man kann auch ein ganz harmonisches Auto machen. Ford hat das mit dem Kuga getan, der wohl entstand, kurz bevor sich das Ford-Design wieder einmal neu erfinden musste (und wir meinen hier dann auch die Version vor der "Modellpflege"). Es lohnt sich, ihn mal anzusehen. Es ist ein wirklich schönes Auto, mit kräftigen, gut proportionierten Linien, trockenen Flächen und knackigen Details. Auf die Frage, warum der Kuga uns noch nie aufgefallen ist, würde, wenn wir es fragen würden, das Designteam des BMW X1 möglicherweise mit einem hämischen Grinsen reagieren.
Vielleicht genügt es eben doch nicht, alles richtig zu machen.
(Alle Bilder: Pressefotos der jeweiligen Hersteller.)
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