Tucker Torpedo, 1949 |
Wenn man recherchiert, wo es eigentlich zum ersten Mal so etwas wie eine Mittelkonsole zwischen den beiden Vordersitzen eines Fahrzeuges gab, dann landet man im Jahr 1919. Der Flugzeugbauer Junkers aus Dessau zeigte da das erste Ganzmetall-Passagierflugzeug, die F 13. Die für dieses Modell charakteristische – und konstruktiv bedingte – Zweiteilung des Führerstandes, die sich außen in zwei großen, ovalen »Augen« zeigte, setzte sich im inneren durch eine spitz-dreieckige Ausformung des Aluminium-Spantes fort, die den Fußraum zwischen Pilot und Copilot (die damals noch Flugzeugführer hießen) teilte.
Junkers F13, 1919 |
Dass, trotz der Flugbegeisterung dieser Zeit, nichts ähnliches ins Auto übernommen wurde, das hat wohl auch mit der Konstruktionsweise der damaligen Fahrzeuge zu tun. Denn die allermeisten PKW hatten bis Anfang der 1950er Jahre ein Fahrgestell, auf das eine Karosserie oben darauf gesetzt wurde. Die Folge war eine hohe, und wegen des damals üblichen Aufbaus mit freistehenden Kotflügeln und Trittbrettern relativ schmale Kabine, die allerdings einen ebenen Boden hatte, da Getriebe und Kardanwelle unterhalb, also im Fahrgestell, Platz fanden. Tatsächlich findet sich beim Lancia Lambda von 1922, dem ersten Serienauto mit selbsttragender Karosserie, auch der erste Mitteltunnel, hier noch eine sehr schlanke Röhre, die kaum eine Trennung zwischen linker und rechter Seite im Innenraum bewirkt.
Erst ab Mitte der 1950er Jahre, selbsttragende Karosserien mit mehr oder weniger integrierten Kotflügeln waren mittlerweile Standard, wanderte der Antriebsstrang immer weiter nach oben in den Innenraum, und zwar besonders bei sportlichen, flachen Autos. Roadster und Coupés von Jaguar z.B. hatten so wuchtige Mitteltunnel, dass sich fast eine Drittelung der Fahrzeugbreite im Interior ergab, Fahrer und Passagier der Zweisitzer saßen weit auseinander, der Schwerpunkt war nicht mehr über, sondern neben der Kardanwelle, welche die Kraft des Motors zu den angetriebenen Hinterrädern leitete, und zwischen den Beinen der beiden Insaßen ragte das Getriebe weit in den Innenraum.
Mercedes Benz 300 SL, 1957 |
Der Mercedes SL von 1954, der berühmte »Flügeltürer« (siehe auch hier.) stellt mit seinem Gitterrohrrahmen einen Sonderfall einer selbsttragenden Karosserie dar. Die Konstruktion war eigentlich für den Motorsport entwickelt worden, hier spielten die damaligen Vorstellungen von Komfort kaum eine Rolle. Die Insaßen finden ihren Platz in diesem Auto zwischen dicken, hohen Schwellern außen und einem massiven Mitteltunnel in der Mitte.
Mercedes Benz 300 SL Rallye, 1957 |
Mitte der 50er Jahre, zu Beginn der Blütezeit des Amerikanischen Dreamcar Stylings, waren dann die ersten bewusst und aufwändig gestalteten Mittelkonsolen zu sehen. Es waren die dezidiert sportlichen Fahrzeuge, die ihre Insaßen auf diese augenfällige Weise mit Technik umschließen sollten. Der saucoole Buick Wildcat von 1954 zeigt eine ge-streamline-te Verbindungssäule zwischen Mitteltunnel und Schalttafel, an der links und rechts zwei Rundinstrumente in düsenförmig gestalteten Gehäusen hängen, aus der Mitte ragt ein verchromter Handbremsgriff.
Buick Centurion, 1956 |
Für Limousinen kommt die Mittelkonsole in den USA aber nicht in Frage. Man empfindet das Ding wohl als zu platzraubend, und außerdem läuft es dem in den 60er Jahren geradezu eskalierenden Trend zur Betonung der Horizontalen entgegen. Zum Cinemascope-Look mit seinen endlos breiten, quer ausgespannten Strukturen und seinen Breitbandtachos passt eine mittige Teilung des Interiors eben gar nicht. (Eine Ausnahme macht wieder ein Buick, der Riviera von 1964. Was mag das für ein Designteam gewesen sein, das bei Buick zu dieser Zeit gewirkt hat?)
In Europa gibt Jaguar dem E-Type von 1961 eine Zentralkonsole, die hier allerdings ausschließlich Radio und Lautsprecher aufnimmt. Sie ist weit weniger elegant integriert als die Konsolen der Amerikanischen Sportwagen und viel weniger provokant ausdesigt. Der BMW 3200CS, gestaltet ebenfalls 1961 von Bertone, verfügt schon über ein großes Fach unterhalb der Armaturen.
Maserati Sebring II Vignale, 1965 |
BMW ist wohl die erste Europäische Marke, die die Mittelkonsole in die Großserie bringt und auch bei – wenn auch ausgesprochen sportlichen – Limousinen einsetzt. Noch ist sie nicht zum Fahrer geneigt, wie das später, Ende der 80er Jahre so typisch für die Autos aus München werden sollte.
BMW E12, 1972 |
Natürlich übernahm auch die damals noch dominierende deutsche Premiummarke, Mercedes, die Konsole, und zwar ebenfalls 1972 bei der S-Klasse. Hier ist sie aber im Vergleich zum Gesamtvolumen der Schalttafel relativ schmal, und anders als beim BMW bleibt sie flach und eben hinter der imaginären Grenze, die durch die Schalttafel definiert wird. Das ist eher ein Einbaumöbel, ein Eindruck, der durch den großzügigen Gebrauch von Holzfurnier noch verstärkt wird.
In den folgenden Jahren breitete sich das Element immer weiter aus, bis in den 80er Jahren nicht mehr nur Spitzenprodukte und nicht mehr nur Fahrzeuge mit sportlichem Leistungsanspruch über die Konsole verfügten, sondern eigentlich beinahe alle Modelle, gleich welcher Klasse und Herkunft. Neben den zum Fahrer hingeneigten, als Schaltzentrale ausgestalteten Konsolen bei BMW verdient vielleicht noch die Konsole im Citroën GS von 1971 eine besondere Erwähnung. Sie ist von Anfang an serienmäßig dabei, was in dieser Klasse zu dieser Zeit noch nicht selbstverständlich ist. Jedoch ist sie so schmal, dass das Radio, um zwei Achsen um 90° gedreht zwischen den Sitzen Platz findet, die Bedienknöpfe nach oben reckend, die Skalen unablesbar.
Alfa Romeo 164, 1987 |
Und Alfa Romeo stellte 1987 in seinem Spitzenmodell 164 einen abstrakten, architektonisch strukturierten Turm in anthrazit zwischen die Insaßen, der eine zunächst kaum überschaubare Anzahl von Tasten und in Zeilen darüber angeordneten LEDs und LCD-Anzeigen trug.
Mit diesen und ähnlichen Lösungen hat die Mittelkonsole vielleicht ihren evolutionären Höhepunkt erreicht. Bis heute bleibt die Trennung von Fahrer und Beifahrer durch ein konsolenartiges Element mit Knöpfen und Anzeigen beinahe obligatorisch. Aber schon Ende der 90er deutet sich an, dass das wuchtige Möbel nicht mehr jedem gefällt. Dazu mehr in einem zweiten Teil.
Zum Schluss noch eine nur halb scherzhafte Überlegung zur wahrnehmungspsychologischen Rolle der Mittelkonsole, gewürzt mit einer kräftigen Dosis Dr. Freud:
»Es gibt so etwas wie eine Erotik des Umschlossenseins, also vielleicht einen regressiven Wunsch vollkommen eingebettet und umfasst zu werden. Er steht im Gegensatz (nicht im Widerspruch) zum latent narzisstisch-homoerotischen Wunsch des Motorradfahrers, die virile Kraft des Motors zwischen die Beine zu klemmen und so zu beherrschen. (Das Motorrad ist dann der vergötzte, technische Phallus, das Auto der Uterus. ) Diesem Wunsch nach Umfasstwerden wird durch die immer größer werdenden, mit immer mehr Komfortfeatures vollgeladenen Mittelkonsolen der 80er und 90er Jahre entsprochen – bis für den Menschen nur noch ein minimaler, von allen Seiten Halt gebender und vollständig kontrollierter (Klang, Klima, Atmosphäre) Raum übrig bleibt.«
Oder so ähnlich…
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