Dienstag, 4. Dezember 2012

Eine Geschichte rückwärts erzählen…

H. C. Berann: 31. März 1915 – 4. Dezember 1999

Der Grafiker und Maler Heinrich Caesar Berann starb am 4. Dezember 1999, berühmt unter Insidern, weitgehend unbekannt unter den Vielen, die seine Werke regelmäßig sahen und nutzten.

Jeder, der Ski fährt oder aus anderen (touristischen) Gründen mit Bergen zu tun hat, kennt seine Panoramen: Berann hat eine zugleich sachlich-informative und atmosphärische Darstellung von Berglandschaften begründet und kultiviert, die für unsere Vorstellung der Alpen prägend ist – zumindest, falls wir diese Prägung noch im 20. Jhdt. erhalten haben. Als brillanter Techniker hat er seinen Panoramen eine Tiefe und Weite gegeben, die sich dem Betrachter als eine Art Klang mitteilt – als tiefer und kräftiger Ton, der alles zu durchschwingen und zu tragen scheint. Seine typischen Wolken geben den eigentlich statischen Darstellungen ein Element der Spannung und Bewegung. Beranns Panoramen sind meisterhaft, wahrnehmungsprägend und gehen in Stil und Stimmung weit über das hinaus, was man von bloßer Gebrauchsgrafik erwarten kann.

Doch Berann hatte noch eine andere Seite: Er malte intensive Fantasiebilder mit mythischen Themen und oft düsterer Atmosphäre. Auf den ersten Blick sieht das manchmal aus wie der sexy Fantasykitsch eines Frank Frazetta, der Hildebrandt-Brüder oder von Boris Vallejo. Wenn es an diesen Werken Beranns etwas besonderes, faszinierendes gibt, etwas das über die minutiöse Darstellung archaischer Fantasiewelten hinaus geht, dann ist es die große Nähe zur Abstraktion. Beranns Bilder sind manchmal so atmosphärisch, dass sich das Motiv in geradezu Turner'scher Weise auflöst. Er nutzt seine herausragenden technischen Fähigkeiten weniger, um einer Niete auf einer Rüstung noch mehr Glanz zu geben. Wichtiger ist ihm offenbar, dass eine Stimmung, eine (auch emotionale) Wetterlage kraftvoll rüberkommt. Und durch all dem mystischen Nebel, durch all die Dämmerung schimmert zuweilen etwas von einem feinen Humor durch, dem wir gleich noch einmal wiederbegegnen werden.

Zur Panoramenmalerei ist Berann offensichtlich gekommen, weil er als Werbegrafiker in den 50er Jahren einiges an Illustrationen für die Tourismuswerbung gemacht hat. Es gibt da eine Menge Faltblätter, die für kleine und große Orte in den Alpen werben, mit Schwarzweißabbildungen von Bergbauern und Schlängelstraßen. Die geradlinigen, klassisch-modernen Layouts werden von den sparsam eingesetzten farbigen Vignetten und Schmuckelementen Beranns belebt, die nicht einfach sinnlos-dekorativ sind, sondern die jeweilige Attraktion in stark verdichteter Form illustrativ zusammenfassen.

Diese Kunst der Verdichtung, die Fähigkeit, gewissermaßen eine ganze Stadt in eine Nussschale zu packen, zeigt sich dann bei den jeweiligen Titelbildern in Vollendung. Sie ist überraschend bei einem Illustrator, der durch die Darstellung von Weite bekannt geworden ist. Und doch ist sie vielleicht eine Facette derselben leicht distanzierten Sicht auf die Dinge, die sich in seinen Panoramen und Fantasy-Bildern zeigt.

In Beranns Plakatmotiven und Illustrationen für den Nachkriegstourismus findet sich ein eigenartiger Humor. Was er darstellt, sieht verfügbar aus (das ist der für die Tourismuswerbung wichtige Aspekt), es sieht aber auch so aus, als müsse man es nicht allzu ernst nehmen. Bei Berann passt ganz Deutschland in das Kleeblatt einer Autobahnkreuzung. Ohne eigentlich fröhlich zu sein, haben diese Bilder eine milde, abgeklärte Komik. Das, ihr "Schwung" und ihre durchdachte, harmonische Farb- und Formgestaltung, macht diese frühen Berann-Illustrationen für mich so bemerkenswert. Zusätzlich ist vielleicht zu erwähnen, dass hier, quasi im Vorbeigehen, eine Art 3D-Collagetechnik erfunden wurde, die auch heute noch, mit anderen technischen Mitteln, als Darstellungsmethode interessant wäre.

Von 1952 an lebte Berann im Bergdorf Lans nahe Innsbruck. Seine grafischen Techniken hatte er sich größtenteils selbst erarbeitet, aufbauend auf seiner Ausbildung an der sicher erzkonservativen "Bundeslehranstalt für Malerei" in Innsbruck. Als Wehrmachtssoldat war Berann 1942 in Norwegen und dem nördlichen Finnland gewesen, und vielleicht wurde der Blick des 27-jährigen hier so geprägt, wie es seine Werke später zeigen: Er sieht die Welt aus einer Distanz, von der aus sich Zusammenhänge erschließen und das Wirken von Kräften in manchmal fast kosmischer Dimension sichtbar wird. In seiner minutiösen Darstellung von Details, die immer in das große Ganze eingebettet bleiben, zeigt sich aber auch eine Form von Hingabe und Zuneigung. Ja, vielleicht würde ein "lieber Gott" die Welt so ähnlich sehen, wie Berann sie uns dargestellt hat. Es lohnt sich auf jeden Fall, seinem Werk einen gründlichen Blick zu gönnen.



(Update am 18.02.2013) www.berann.com ist wieder online.
Anbei zwei Links zu Sammlungen mit Bildern Beranns:
http://portfotolio.net/krmmnn/album/72157606239071345
http://pinterest.com/source/berann.com/

Biografische Informationen aus de.wikipedia.org und en.wikipedia.org.

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